Ich habe neulich eine Abhandlung darüber gelesen, warum die Deutschen so vernarrt in ihre Autos sind. Das war nämlich nicht immer so. Bis zum 1. Weltkrieg hatte man keine Sympathie für den Gestank und Lärm, der mit dem neuen Gefährt einherging. Allerdings rührten danach der ADAC (gegründet 1903), die Industrie und die Medien mit großem Aufwand (auch finanziell) die Werbetrommel. Autorennen und die Heraushebung der technischen Auto-Finessen (PS!) führt mit der Zeit zu mehr Öffentlichkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz. Doch erst unter den Nationalsozialisten wurde das Auto durch Steuererleichterungen, Autobahnbau und Wirtschaftsförderung (Volkswagen!) zum Gegenstand vieler, vor allem männlicher Deutscher. Nach dem Krieg bot dann die Zerstörung durch die Bombenangriffe die Gelegenheit, unsere Städte autofreundlich mit großen Einfallschneisen und jeder Menge Parkplätze wieder aufzubauen. Seitdem sorgen immer weitere politische Signale (Pendlerpauschale, Subventionierung von Dienstwagen/Diesel/Straßenbau, Abbau von Bahn und ÖPNV) dafür, dass ein Leben ohne Auto in vielen Gegenden fast unmöglich erscheint - und für viele auch undenkbar.
Kurz: In hundert Jahren haben viel Geld und vor allem politischer Wille es geschafft, einem Volk ein (allerdings äußerst fragwürdiges) Weltbild einzuimpfen. Was einerseits extrem traurig ist, denkt man an die Erdüberhitzung, das Feinstaub- und Stickstoffproblem, die Verkehrstoten, die Flächenversiegelung, den Lärm und all die anderen Nachteile der Autorepublik. Aber es ist eben auch eine Geschichte der Hoffnung. Denn warum sollte es dann nicht möglich sein, entsprechenden politischen Willen und finanzielle Mittel vorausgesetzt, im Laufe der nächsten 100 Jahre nach und nach ein anderes Ideal zu fördern und durchzusetzen? Zum Beispiel von einer Welt, in der wir uns die wenigen (elektrischen) Autos teilen, die es noch gibt - für die wirklich wichtigen Fahrten. Weil man ohne Probleme mit den öffentlichen Verkehrsmitteln überall schnell, pünktlich und flexibel hinkommt. In der die Städte so lebenswert sind, dass man gar nicht mehr ins Umland flüchten muss. Und in der wir viel gesünder und besser drauf sind, weil wir uns auf den spitzenmäßig ausgebauten Radwegen mehr bewegen und viel Vitamin D bilden.
Was können wir dafür tun, damit es so kommt? Vor allen Dingen: Erstens die Parteien wählen, die sich trauen, ein Bild von einer solchen Zukunft zu entwerfen. Und dann ganz laut HURRAAA schreien (und bei allen Freunden und Bekannten dafür werben), wenn die es tatsächlich wagen, die dafür notwendigen Schritte auch umzusetzen. Damit all die Nörgler, Bremser, Besitzstandswahrer und Ewiggestrigen übertönt werden, vor denen die Politik heute so viel Angst hat. Ohne die Politik wird´s nicht gehen - aber ohne unsere Mithilfe eben auch nicht.