Ihr Lieben,

vielleicht ist es euch schon aufgefallen: Ich habe meine Homepage umgebaut. Denn es ist Zeit für mich, adieu zu sagen. Den Kleinkunstbühnen. Und den Zuschauern, die ich dort 20 Jahre lang (von 2002-2007 mit Jin & Jan, seit 2008 Solo) bespielt habe.

Einige von mir sehr geschätzte Kollegen und Weggefährten haben diesen Schritt schon vor mir vollzogen. Leider sind sie meist einfach von der Bildfläche verschwunden. Vielleicht, um nicht später einen Rücktritt vom Rücktritt erklären zu müssen (falls sie es sich doch noch mal anders überlegen).
Aber die Scorpions haben doch nach ihrem Abschied auch einfach weiter gemacht. Und Status Quo waren gefühlt 10 Mal auf ihrer wirklich allerletzten Tournee. Da dürfte ich, sollte es dazu kommen, also auch keine Probleme mit einem Rückzieher haben.

Mir ist es jedoch wichtig zu (er)klären, wie es zu dieser (zumindest für mich sehr großen) Entscheidung kam. Euch - aber vor allem auch mir selbst.

Zu allererst möchte ich eines sagen: Die Kleinkunstwelt war für mich ein wirklich faszinierendes Biotop. Viele Eindrücke davon haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Z.B. die ersten Besuche der Kleinkunstbörse (Messe) in Freiburg. Das Staunen, Eintauchen in ein mir bis dahin völlig unbekanntes, buntes Universum. Überall Kostüme, Marionetten, Artistik, musikalische Klänge, interessante Gerüche, fantasievolle, leidenschaftliche, freundliche und friedliche Menschen. Eine Nische, die mir nicht so durchkommerzialisiert wie das Musikbusiness erschien (obwohl natürlich dort auch finanzielle Zwänge und Konkurrenzkämpfe bestehen - die Illusion wurde mir schnell genommen).

Auch auf Tour lernte ich die tollsten Leute kennen. Die sich teilweise schon seit Jahrzehnten unfassbar engagiert dafür einsetzen, dass Kultur abseits der großen Bühnen stattfindet. Und einen riesigen Erfahrungsschatz mit weitem Horizont haben. Für diese Begegnungen bin ich sehr dankbar. Genauso wie für die wunderbaren Auftritte, die es immer wieder gab und die mich sehr erfüllt haben.

Aber es gab eben auch Schattenseiten der Medaille:
- Die ewigen Bahnfahrten zu den Bühnen (in letzter Zeit kaum mal ohne stundenlange Verspätungen).
- Die übernächtigte Rückkehr nach Hause, weil ich, egal wann ich ins Bett gehe, zuverlässig um 6.00 Uhr morgens aufwache.
- Die Stunden über Stunden, die ich am Telefon und mit dem Versenden von Emails verbrachte, um Veranstalter davon zu überzeugen, mein neues Programm zu buchen.
- Der riesige Zeit- und Kraftaufwand, ein neues Programm zu schreiben, einzustudieren vorzubereiten, und jedes Mal vor den Auftritten neu zu überarbeiten und aufzufrischen.
 - Die Fassungslosigkeit über meinen eigenen ökologischen Fußabdruck: Die Emissionen, die das Reisen, trotz ÖPNV-Nutzung, ja immer mit sich bringt. Die gefühlt Tonnen an übrig gebliebenen Plakaten, Flyern, Bewerbungsmappen und Requisiten, die ich nach dem Auslaufen eines Programmes entsorgen musste.
- Die vergeblichen Bemühungen, eine Agentur zu finden, die Lust darauf gehabt hätte, mich und meine Programme zu promoten.
- Und schließlich die (un)sozialen Netzwerke. Die ich ablehne, weil ich mich nicht in diese Lebenszeit raubende Mühle hineinbegeben will. Ohne die eine Vermarktung heute aber immer schwieriger wird.

Doch wohl am Wichtigsten: die Perspektivlosigkeit.
Ich hatte immer die Hoffnung, mir mit meiner eigenen Interpretation von Kabarett (rockige Musik plus Fokus auf gute Nachrichten und die Frage, was wir selbst ändern können) ein eigenes Publikum zu erspielen - wenn ich nur lang genug durchhalte. Diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt. Ich bin nie an den Punkt gekommen, an dem genügend Veranstalter mich von sich aus angerufen hätten mit der Frage: „Jan, wann spielst du endlich mal wieder bei uns?“ Und an dem nicht vor jedem Auftritt die bangen Fragen standen: „Wie viele Leute kommen wohl heute Abend? Wird es ausreichend voll?“ Über die Gründe dafür kann man viel spekulieren. Klar ist jedenfalls: Irgendwie sprach das, was ich anzubieten hatte, nicht einen so großen Anteil des vorhandenen Publikums an, dass Aufwand und Ertrag in einem gesunden Verhältnis gestanden hätten. Das kann man eine zeitlang idealistisch tun - aber irgendwann muss man auch den Realtitäten ins Auge schauen.

Und schließlich habe ich auch noch den Eindruck, dass der Teil der Kleinkunstbranche, in dem ich meinen Platz sah, sich einem natürlichen Ende nähert. Viele von denen, die dort die Veranstaltungen besuchen (und auch die meisten Veranstalter), kommen aus einer sehr umtriebigen Generation. Die waren schon in den 70er Jahren kulturinteressiert - und sind es noch heute. Aber da kommt nicht viel nach. Und wie überall kriegen diejenigen, die schon bekannter sind, den großen Teil vom Kuchen. Für die anderen bleiben die Krümel. Schon mal versucht, von Krümeln satt zu werden?

Vermutlich hätte ich trotzdem weiter gemacht - schon aus Mangel an Alternativen. Doch die Corona Pandemie hatte für mich einen positiven Nebeneffekt: Erstens zeigte mir die Zwangspause, dass ich offenbar auch ohne die Konzertgagen durchkomme (dank meiner Unterrichtstätigkeit und des Supports meiner fest angestellten Frau). Zweitens, dass mir die Kleinkunstbühnen-Auftritte, mit all ihren positiven und negativen Seiten, nicht wirklich fehlten. Und ich, drittens, Lust auf Neues habe.

Dazu kam 2022 ein unfassbar tolles Erlebnis:
Ein Produkt, das ich anbot, wurde mit ganz viel Freude, Liebe und Dankbarkeit aufgenommen. Mein Lagerfeuerklassiker-Singen ist ein Hit! So viele Leute, wie da hinterher zu mir kamen und sagten, dass es für sie ein Highlight des Jahres war - sowas hatte ich nie zuvor erlebt. Mir wurde klar: Das ist mein Antrieb. Geld spielt nur eine Nebenrolle. Was ich brauche, ist Wertschätzung. Und die habe ich im letzten Jahr ganz viel bekommen. Das hat mich erfüllt und richtig glücklich gemacht. Im Herbst dann die Erkenntnis: Das ist es, worauf ich meine Energie konzentrieren will. Regionaler unterwegs sein. All die negativen Nebenwirkungen, die ich oben beschrieben habe, einfach eliminieren. Mit den Leuten singen.

Und wie geht es weiter?
Es ist mir total wichtig, mich in Zukunft neben der Musik verstärkt - und vor allem effektiver - einer weiteren Herzensangelegenheit zu widmen: Meinen Teil dazu beizutragen, die rasant aufziehenden, menschheitsbedrohenden Umweltkrisen zumindest abzumildern (verhindern geht ja wohl nicht mehr). Ich möchte mehr tun als nur das Kleinklein im Alltag. Z.B. die schon lange anvisierten JUT-Videos an den Start bringen. Mit positiven Nachrichten. Einer neuen Erzählung. Und konkreten Handlungstipps. Mich engagieren in einer Organisation, die sich für den nachhaltigen Umbau der Gesellschaft einsetzt. Oder doch noch mal ein neues Musikkabarettprogramm schreiben. Für Umweltagenturen/-organisationen etc. . Um deren Veranstaltungen möglichst attraktiv und erfolgreich zu machen.

Und dafür muss ich einen Schlussstrich ziehen. Auch wenn es richtig wehtut, das neue Programm, an dem ich so lange gearbeitet hatte, nach nur einmaliger Aufführung wieder einzumotten (mein Trostpflaster: Perfekte Konzerte hatte ich letztes Jahr trotzdem einige - mit den Lagerfeuerklassikern...). Ich hoffe, ihr könnt die Ursachen für meine Kurswechsel jetzt ein bisschen besser verstehen.

Euch allen jedenfalls, die ihr zu meinen Auftritten gekommen seid bzw. diese sogar erst ermöglicht habt, vielen, vielen Dank! Es war eine oft schöne, spannende und abwechslungsreiche Zeit. Ich hoffe, wir sehen uns wieder!